Lesung? Stuhl, Tisch, Wasserglas? Und einer liest anderthalb Stunden etwas vor? Nein, so nicht. Auf keinen Fall.

 

"Wir wussten nicht, was uns heute Abend erwartet. Aber diese drei Stunden waren eine emotionale Achterbahnfahrt. Von völligem Entsetzen, Traurigkeit und Erschütterung in herzhaftes Lachen, bei welchem einem die Tränen kamen. Und umgekehrt. In wenigen Sekunden." 

 

Schließen Sie die Augen.

Sie sitzen einer Frau gegenüber, einer sympathischen, zuvorkommenden, liebevollen Mutter zweier Kinder. Sie hat ihr Neugeborenes erstickt. Ein anderer Tag. Ein Mann. Sie unterhalten sich mit ihm über Bach und Bruckner, über die russischen Romantiker. Dann schlagen Sie die Akten auf und blicken auf die Bilder von Leichen zweier Frauen. Er hat ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Stellen Sie sich vor, Sie müssten mit dieser Person auch nach dem Blick auf diese Bilder die selbe Luft einatmen, Zeit im selben Raum verbringen, sich mit ihr unterhalten, ihr zuhören, ihr Glauben schenken, sie mit allen Mitteln der Kunst vor Gericht, in der Öffentlichkeit, gegenüber der Presse verteidigen. Würden Sie es tun? Und wenn ja, könnten Sie es tun?
Und jetzt stellen Sie sich vor, das ist kein ausgedachter Plot, sondern die pure Realität. Glauben Sie nicht?
Dann “Herzlich willkommen!” in meiner Welt als Strafverteidiger. Hier geht es wirklich um die Fälle. Nicht um die Verteidigungsstrategie, nicht um das Urteil oder den Prozess (zumindest nicht vorrangig), nur um das Wie und das ewig schwebende "Warum?"

Gehen Sie mit mir auf eine Reise durch so ein Mandat. Wie beginnt es? Wie begegnet man diesen Menschen? Was macht das mit einem selbst?

Und versuchen Sie mit mir die Antwort auf die Frage zu finden: Warum bricht es bei dem einen heraus, bei einem anderen nicht? Was muss im Leben eines Menschen geschehen, damit dieser zum Mörder wird.